Familie Hellmann
Verfasser: Manfred Brösamle-Lambrecht
Kümmerliche Existenz als Kleinhändler
Max Hellmann wurde am 24. November 1889 als Sohn des Kleinhändlers Sigmund Hellmann und dessen Ehefrau Philippine, geb. Freudenthal, in Altenkundstadt geboren. Der Vater belieferte Bauern und Kleinbetriebe der Umgebung en détail mit Schmierstoffen (Ölen und Fetten). Von der nichtjüdischen Bevölkerung wurde er abwertend „der Schmierjud“ genannt.
Anfang 1916 wurde Max Hellmann eingezogen und als Infanterist in Frankreich eingesetzt. Er nahm an mehreren Gefechten teil und wurde am 15.6.1917 schwer verwundet. Max heiratete im Jahr 1919 Katinka, geb. Erlanger (*8. März 1893), aus Fischach bei Augsburg. Aus der Ehe ging 1920 der Sohn Siegfried hervor.
Die Familie lebte zusammen mit der Familie des Bruders im kleinen elterlichen Haus in Altenkunstadt. Max Hellmann übernahm das väterliche Geschäft - auch der Spitzname „Schmierjud“ ging auf ihn über. Mit einem vorne und hinten schwer bepackten Fahrrad fuhr er die Dörfer der Umgebung ab und verkauft Schmierstoffe an Bauern und Betriebe.
Vom Kleinhändler zum Ladeninhaber
Da meinte es Anfang der 20er Jahre das Glück gut mit Max Hellmann: Ein Achtellos in der Lotterie brachte ihm einen Gewinn von ca. 10.000 Mk. Endlich konnte er das ersehnte Ladengeschäft eröffnen. Er kaufte - wohl 1924 - das Anwesen Bamberger Straße 25 in Lichtenfels, zog mit seiner Familie in die Kreisstadt und richtete ein Fachgeschäft für Schmierstoffe ein.
1938 ff.: Entrechtung und Ausgrenzung
Max Hellmanns Geschäft wurde am frühen Morgen des 10. November 1938 geplündert und verwüstet. Er selbst wurde wochenlang in „Schutzhaft“ genommen. Enteignungs- und Zwangsmaßnahmen des Regimes führten in der Folge zur Geschäftsaufgabe und zum Verkauf der Immobilien. 1940 wurden Max Hellmann und seine Frau zusammen mit den anderen Lichtenfelser Juden im heruntergekommenen „Judenhaus“ in der Judengasse 14 zusammengepfercht. Weitere Schikanen wie Ausgangssperren, Reiseverbote und Abgabepflicht für Winterbekleidung verschlimmetern das Leben.
Wie Max Hellmann seinen Lebensunterhalt bestritt, wissen wir nicht. Von anderen Juden ist bekannt, dass sie Zwangsarbeit in örtlichen Betrieben oder auf Bauernhöfen leisten mussten. Ein Zeitzeuge berichtet, er habe Katinka jeden Morgen zur Arbeit gehen sehen. Immer habe sie versucht, den gelben Judenstern auf ihrem hellen Mantel zu verdecken.
Letzter Abschiedsbrief fünf Tage vor der Deportation
Fünf Tage vor der Deportation schrieben Max und Katinka einen letzten Brief an Verwandte in der Schweiz. Solche Post wurde rigide zensiert, Negatives durfte nicht geschrieben werden. Zwischen den Zeilen aber dokumentiert er die verzweifelte Situation der Hellmanns:
Meine geliebte gute Kinder!
Mehr wie ein Lichtstrahl sind uns Eure so herzlichen Briefe, habt tausend Dank dafür, ja unsere gute Alice hatte es dieses mal ganz besonders gut erraten uns zu schreiben, denn bis lhr von Eurer Reise zurück kommt treten wir unsere verspätete Oster Reise an [sie meint die Deportation] u. so war Euer Brief uns eine ganz besondere Freude. Sonst wäre er doch zu lange liegen geblieben bis wir zurück kommen. […]
Gesundheitlich bin ich auch zufrieden, man muß es eben sein, u. ich lasse mich nicht so leicht gehen. Nun habt lhr nach langer Zeit Post von Euren Lieben bekommen, da freuen wir alle uns. Das Liebes Päkle kam leider heute immer noch nicht u. auch vom lb. Fritzle [der Sohn] warten wir täglich auf Post.
Nun aber Schluß für heute. Lebet wohl lhr meine Lieben, G‘tt behüte Euch, ich gedenke segnend Euer. Viele viele Grüße und Küße von Eurer Tante Katinka
Lebet Wohl meine Lieben. Mehr kann heute nicht schreiben. Herzl. Grüße und Küsse Euer Euchl[iebender] Onkel Max
Deportation und Ermordung
Am 24. April 1942 marschierten Max und Katinka Hellmann zusammen mit vier weiteren jüdischen Bürgern aus Lichtenfels im Morgengrauen zum Bahnhof. In Bamberg wurden 103 Juden aus Oberfranken in den Deportationszug DA 49, aus Würzburg kommend, zugeladen. Am 28. April erreichte der Transport um 8.45 die südostpolnische Stadt Krasnystaw; zu Fuß mussten die insgesamt 955 Deportierten ins 17 Kilometer entfernte Krasniczyn marschieren. Dort hatte man unmittelbar vorher das Ghetto freigemacht, indem man die jüdische Bevölkerung in die Todeslager verfrachtete.
Der weitere Weg von Max und Katinka Hellmann ist nicht mit letzter Sicherheit zu rekonstruieren. Unstrittig ist, dass sie wie alle Insassen des Zuges in den nächsten Wochen in einem der Vernichtungslager Sobibór oder Belzec ermordet wurden. Eine Quelle nimmt als wahrscheinlich an, dass die fränkischen Juden am 6. Juni 1942 in Sobibór starben.
Das Schicksal des Sohnes Siegfried
Wenig bekannt ist, dass der jüdische Mossad tlw. in Absprache mit der SS, sogar Heydrich selbst Flüchtlingsschiffe über die Donau und das Schwarze Meer nach Haifa organisierte, die tausenden von Deportation und Ermordung Bedrohten das Leben retteten. Unter abenteuerlichen Umständen hat auch Siegfried so Palästina erreicht und überlebt. Sein Sohn Gavriel Hellmann lebt heute in Tel Aviv.
Die Inhaberin des Putzmachergeschäfts am Unteren Tor, Helene Sievers, berichtete in einem Brief 1946 an Max Hellmanns Sohn, dass Katinka Hellmann oft heimlich in der Mittagspause bei ihr gewesen sei, um zu reden. Am meisten habe sie das ihr unbekannte Schicksal ihres Sohnes gesorgt. Max und Katinka haben wohl nicht mehr erfahren, dass ihr Sohn sich retten konnte.