Ludwig und Thea Bamberger
Verfasser: Manfred Brösamle- Lambrecht
Jugend
Ludwig wurde am 5. September 1893 als jüngster von vier Söhnen von Philipp und Serry Bamberger geboren. Früh waren die Weichen zum Kaufmann und Unternehmer gestellt: Er wuchs im elterlichen Haushalt direkt neben dem Familienunternehmen David Bamberger auf, Zusammenhänge und Abläufe im Betrieb dürften ihm schon als Jugendlicher vertraut erschienen sein. Nach seiner Ausbildung zum Kaufmann in Nürnberg bis 1911, arbeitete er drei Jahre in England bei Firmen, die Geschäftskontakte zum Lichtenfelser Familienunternehmen hatten. Wohl auch wegen seiner profunden Englisch-Kenntnisse wurde er im Ersten Weltkrieg in einer Fernmelde-Einheit an der Westfront eingesetzt und überlebte trotz Verwundung mehrere Kampfeinsätze in Flandern. Nach dem Krieg trat Ludwig in verantwortlicher Funktion in das Lichtenfelser Familienunternehmen ein.
Thea Spier (1898-1990) war das jüngste von drei Kindern des Frankfurter Schuh-Fabrikanten Simon (Shimon) Spier und dessen Frau Bertha Spier, geb. Kaufmann. Thea war eine musisch sehr begabte und gebildete junge Dame, studierte Klavier und Gesang, war wohl Mitglied des Frankfurter Opernchores. Die Familien Spier und Bamberger waren bereits in der Elterngeneration gut befreundet, und Ludwig lernte Thea über deren Bruder Selmar kennen, mit dem er öfter Wanderungen unternahm.
Familie
Ludwig und Thea heirateten 1922 und bezogen ein neu errichtetes repräsentatives Haus in der Bamberger Straße 44 (ab 1937 neu nummeriert als Bamberger Str. 15) in unmittelbarer Nachbarschaft der Firmengebäude. Es stand in zweiter Reihe, bis Ludwig das davor gelagerte, direkt an der Straße stehende ehemalige „Pabstsche“ Haus, das im Besitz der Firma D. Bamberger war, 1932 abbrechen ließ, um den Garten für die Kinder zu vergrößern.
Das Paar hatte zwei Töchter: Anna Margareta (1923-2019), später verh. Karesh, und Eva (1927-2019), später verh. Edelstein – beide waren künstlerisch hoch begabt. Um ihnen eine angemessene schulische Bildung angedeihen zu lassen und sie vor den antisemitischen Anfeindungen in Lichtenfels zu schützen, wurde Annegret 1936 auf ein Internat in der Schweiz, Eva 1938 auf ein Internat in Italien geschickt.
Rechtzeitige Flucht durch Auswanderung nach England
Frühzeitig kümmerte sich Ludwig um eine Auswanderung aus dem Zugriff der Nazis und beantragte die Einwanderung nach England, wohin er seit seiner Jugend enge Beziehungen hatte. Während das Paar 1938 auf einer USA-Reise war, erreichte sie die Nachricht, dass England bereit war, sie aufzunehmen, und es gelang ihnen, dorthin zu reisen, ohne den gefährlichen, aber an sich vorgeschriebenen Umweg über Deutschland nehmen zu müssen. Im Oktober 1938 wurden sie in Lichtenfels mit dem Ziel London abgemeldet. Die Familie erlebte die Plünderung ihres Hauses mit all den dort gesammelten Kunstschätzen und Büchern in den Novemberpogromen selbst nicht mit. Die Darstellung von Klaus Bamberger, sein Onkel wäre dem Nazipöbel auf der Straße ausgeliefert gewesen, widerspricht der Aktenlage.
Im Novemberpogrom warfen die Nazi-Randalierer zahlreiche der wertvollen Bücher auf die Straße. Das Haus reklamierte der NS-Bürgermeister Wilhelm Krautheim als persönliche Residenz, Kunstobjekte und Möbel wurden ohne Verstand für ihren Wert in Kisten im Rathauskeller gelagert.
Das Schicksal der Kunstsammlung und der Bibliothek
Wie sein ältester Bruder Otto war Ludwig ein leidenschaftlicher Sammler von Zeichnungen und Gemälden aus dem deutschen Expressionismus. Anne Bamberger Karesh erinnerte sich, dass eines der bekannten Fisch-Aquarelle von Emil Nolde im elterlichen Esszimmer hing, ein Ölgemälde von Badenden um einen Pool von Erich Heckel im Schlafzimmer. Dazu besaß Ludwig Bamberger eine exquisite Bibliothek und kostbare Möbel aus dem Barock wie aus den Bauhaus-Werkstätten.
Durch einen glücklichen Zufall und mit großen Anstrengungen erlangte die Familie zumindest einen kleinen Teil ihrer Kunstschätze zurück: Gerald Bamberger, Sohn von Anton Bamberger, kam unmittelbar nach dem Krieg als US-amerikanischer Besatzungsoffizier auch nach Lichtenfels, entdeckte im Keller des Rathauses Kisten mit Besitztümern von Ludwig und Thea Bamberger und stellte sie sofort sicher. Nach langen Nachforschungen auch bei der Firma Knorr & Friedrich, die die Firma D. Bamberger 1938 im Rahmen der Arisierungen übernommen hatte, bekam Ludwig einige der wertvollen Möbelstücke zurück. Zu seiner großen Freude befanden sich in den Schubladen eines antiken Schreibtisches noch Teile seiner Kunstsammlung: Werke von Otto Müller, Erich Heckel, Otto Dix, Max Pechstein, Lyonel Feininger, Käthe Kollwitz, Max Beckmann, Ernst Ludwig Kirchner und Emil Nolde, sogar Originale von Henri Matisse.
Aufbau einer neuen Existenz in England, später in den USA
In London fand Ludwig Anstellung als Direktor bei einem früheren Geschäftsfreund, der Spielzeug in einem nordwestlichen Vorort von London produzierte. Nach Ausbruch des Weltkrieges aber wurden die Bambergers als „feindliche Ausländer“ voneinander getrennt monatelang auf der Isle of Man interniert, lediglich Anne durfte im Haushalt des Geschäftsfreundes bleiben, Eva lebte mit ihrer Mutter im Lager. Nach Entlassung aus der Internierung konnte die Familie eine neue Existenz in Mill Hill, dem Wohn- und Firmensitz des Geschäftsfreunds, aufbauen.
1946 heiratete die Tochter Anne den amerikanischen Soldaten Karl Karesh und zog mit ihm in dessen Heimat nach Charleston, South Carolina, USA. 1949 folgten ihnen Ludwig, Thea und Eva. Ludwig gründete einen kleinen Versandhandel.
1964 starb Ludwig mit 71 Jahren an einem Herzinfarkt. Seine Frau Thea lebte im gemeinsamen Haus bis zu ihrem Tode mit 92 Jahren.