Stefan Zinn

Verfasser: Julia Mehrmann, Antonia Voll und Manfred Brösamle-Lamprecht

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Stefan Zinn Führerscheinbild


Stefan Zinn wurde als zweiter Sohn des Korbhändlers Sigmund Zinn und dessen Frau Doris, geb. Hopfmann, am 13.09.1890 in Lichten­fels geboren.

Stefans Großvater Samuel war einer der Mitbegründer des spä­ter florierenden Lichtenfelser Korbhandels, der der Familie Zinn Reichtum bescherte. Der weit über die regionalen Grenzen hinaus bekannten Korbfachhandel hatte seinen Firmensitz in der Bahn­hofstr. 5 in Lichtenfels.

Heranwachsen zum Unternehmenserben

Samuel Zinns Sohn Sigmund war in seiner Heimatstadt ein viel­fach engagierter Mensch. Sowohl bei der Feuerwehr als auch bei der Turnerschaft war er in führender Position tätig und hochge­schätzt.

Stefan Zinn erhielt eine gute schulische Ausbildung, erlernte Englisch und Französisch, bevor er als Kaufmann für die Firma seiner Eltern arbeitete. Im 1. Weltkrieg wurde er im April 1915 zum Militärdienst eingezogen. Anfangs als Infanterist an der Front, diente er bald als Schreibhilfe und dann als Dolmetscher im Kriegsgefangenenlager Würzburg.

Fabrikdirektor

Geschäftshaus Firma Zinn und Co.© Stadtarchiv Lichtenfels
Geschäftsgebäude der Firma Samuel Zinn & Co in Lichtenfels gegenüber dem Bahnhof (heute: Conrad-Wagner-Straße). In den 50er Jahren abgerissen zum Bau der Striwa.

Wohl Anfang der 20er Jahre übernahmen Stefan und sein drei Jahre älterer Bruder Paul die Geschäftsleitung der Firma.

Am 1. Februar 1925 heiratete Stefan die 14 Jahre jüngere Berta Steinhäuser, die Tochter eines wohlhabenden jüdischen Kaufmanns aus Bayreuth, der aus Burgkunstadt stammte. Fünf Jahre später, am 5. Febru­ar 1930, kam die erste und einzige Tochter Lieselotte zur Welt.

Berta Zinn, Führerscheinbild
Berta Zinn, 1939
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Wohnhaus der Familien Paul und Stefan Zinn in der Lichtenfelser Bahnhofstraße (Bildmitte mit Turm)

Die Familie bewohnte gemeinsam mit der Fa­milie des Bruders eine repräsentative Villa nahe des Firmengebäudes (heute: Café Herold’s).

Nazi-Terror ab 1933

Ihre gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung schützte die Fa­milie nicht vor dem zunehmenden NS-Terror. Bereits 1937 reiste Stefan Zinn zusammen mit Alfred Marx in die USA, um Flucht- und Lebensmöglichkeiten zu erkunden.

Während der November-Pogrome 1938 („Reichskristall­nacht“) drangen organisierte NS-Schlägertrupps in die Wohn- und Geschäftsräume ein und verwüsteten, was sie fanden. Tochter Lie­selotte versteckte sich in dieser Nacht auf dem Dachboden. Stefan Zinn wurde grundlos arretiert und für drei Wochen „Schutzhaft“ ins KZ Dachau eingewiesen. Stefans Bruder Paul nahm unter dem Ein­druck des NS-Terrors am 10.11. Gift und starb wenige Tage später im Krankenhaus Hochstadt.

Die Firma wurde unter dem NS-Druck aufgelöst, Stefan Zinn war ge­nötigt, die Immobilien der Familie weit unter Wert zu verkaufen.

Stefan und Berta zogen die Konsequenzen: Als erstes brachten sie ihr Kind in Sicherheit, indem sie Lieselotte zu persönlich nicht bekannten Verwandten nach New York schickten. Am 22. April 1939 konnten sich Stephan und Berta Zinn in Sout­hampton auf der „Nieuw Amsterdam“ einschiffen und trafen im Mai ihre Tochter in New York wieder.

New York: „Baskets of every description”

Der Start in der neuen Welt war auch für Stefan Zinn (jetzt Stephen) und Berta (jetzt Bertl) hart. Die mittellose Familie lebte anfangs mietfrei gegen Haushälterdienste beim verwitweten Jerome Cahn und seiner Tochter Jenet in Brooklyn, Kings.

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Bertl verdiente Geld als Chauffeurin, Stephen anfänglich mit Gele­genheitsarbeiten, bis er erfolgreich versuchte, seine Erfahrung und sein Know How einzusetzen: Er eröffnete in Brooklyn, New York ei­nen Korbhandel - „Baskets of every description“. Mit der Zeit kam die Familie so wieder zu Wohlstand. Stephen unterhielt Geschäftsbeziehungen mit Europa, ja sogar mit der Lichtenfelser „Striwa“.

Tochter Lieselotte (jetzt Lilo) heiratete Daniel Webster Braun und zog nach New Jersey. 1950 bzw. 1952 kamen ihre Kinder Ronald und Linda zur Welt.

Berta und Stefan Zinn© Familie
Stephen und Bertl Zinn mit Enkelkind, Anfang der 50er Jahre

Linda beschreibt ihren Großvater als stillen und zurückhaltenden Menschen. Stephen hatte bei Besuchen in dem Haus seiner Tochter und deren Familie in New Jersey stets Schokoriegel für seine Enkel dabei. Einer seiner Freunde besaß einen Süßwarenladen, welchen Stephen häufig mit seinen Enkeln besuchte, die sich dort heraussu­chen konnten, was sie wollten. Er war ein liebevoller und großzügi­ger Großvater.

Im Juni 1974 starb Stephen Zinn in Brooklyn, Kings im Alter von 84 Jahren.