Henriette Bamberger, geb. Wolff
Verfasser: Manfred Brösamle-Lambrecht
Herkunft und Heirat
Henriette Bambergers Eltern waren der Kaufmann Beni [Benni] Wolff (1857-1923) und seine Ehefrau Therese Wolff geb. Reiß [Reis]. Henriettes Mutter und mehrere Geschwister schafften die Emigration nach USA bzw. Brasilien.
Die 22-jährige Henriette, genannt „Jetta“, antwortete 1913 auf die Heiratsannonce Otto Bambergers, und am 13. 12.1913 fand die Hochzeit statt. Jetta war dem unkonventionellen, kulturell hoch interessierten und willensstarken Otto eine kongeniale, ebenbürtige Partnerin. Ihr Sohn Klaus erzählte später von einem drolligen Ehekrieg, als Jetta Spinat zu Mittag gekocht hatte, den Otto verabscheute. Als er sich weigerte, das Gemüse zu essen, servierte sie es jeden Tag erneut – gegessen werden musste, was auf den Tisch kam. Otto konterte damit, dass er nicht mehr zum Essen heimkam, sondern bei seinen Eltern aß. Erst nach mehreren Tagen kapitulierte Jetta.
Sie war die erste Frau in Lichtenfels, die Auto fahren konnte. Sie in ihrem grünen Cabriolet Mercedes Benz 170 war ein bekanntes Bild in Lichtenfels.
Ihr entschlossener Kampf gegen die willkürliche Verhaftung und Drangsalierung ihres Mannes 1933 zeigte ihren Mut und ihre Durchsetzungskraft.
Neue Rolle ab 1933
Als die beiden Kinder in Sicherheit im Ausland waren, beschloss sie, sich stärker um das Geschäft der Familie zu kümmern, und engagierte sich in der Leitung des Betriebs.
"A knock at midnight" - Flucht und neue Existenz in den USA
Ende Oktober 1938 wurde Henriette Bamberger gegen Mitternacht heimlich von Wilhelm Aumer, dem Leiter des Passbüros im Lichtenfelser Bezirksamt (Landratsamt), aufgesucht und gewarnt, er habe Anweisung bekommen, Reisepässe von Juden einzuziehen. Er riet Jetta eindringlich, das Land so schnell wie möglich zu verlassen, da noch schlimmere Maßnahmen gegen Juden zu erwarten seien.
Noch am nächsten Morgen verließ sie Lichtenfels für immer: Sie fuhr zu ihrer Mutter nach Stuttgart und beantragte dort im US-Konsulat ein Visum in die USA, vorgeblich, um ihren Sohn dort zu besuchen, das ihr gewährt wurde.
Weitgehend mittellos, schlug sie sich die ersten Jahre in mehreren Stellen als Haushälterin und Erzieherin in Cleveland durch, bevor sie zu ihrem Sohn nach New York umsiedelte, der durch eine Stelle bei seinem Onkel und später einen eigenen Betrieb seine Mutter unterstützen konnte. Ihren Ruhestand verbrachte sie in einem von deutschen Emigranten geprägten Viertel in Upper Manhattan, bevor sie mit 84 Jahren im Jahre 1976 zu ihrer Tochter Ruth nach Louisville, Kentucky, zog. Sie starb dort 1978 im Alter von 86 Jahren.
Bis zu ihrem Ende blieb sie eine umfassend interessierte, selbständige und aktive Frau.
Tochter Ruth Bamberger
Die Tochter Ruth Bamberger, später verh. Löwenfeld, erhielt eine hervorragende Schulausbildung u.a. in dem reformpädagogisch ausgerichteten Internat „Freie Schulgemeinde“ in Wickersdorf bei Saalfeld und der ebenfalls reformpädagogisch orientierten „Schule am Meer“ auf Juist. Nach ihrer Reifeprüfung besuchte sie das Jüdische Seminar für Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen in Belin, das sie 1936 erfolgreich abschloss.
Nach einer Zeit als Au-Pair-Angestellte bei einer der duPont-Familien in London erhielt sie von Paris aus ein Einreisevisum in die USA, das sie im November 1938 wahrnahm. Anfangs lebte sie bei der Familie ihres Onkels Anton Bamberger in New York, bis sie die Leitung des neu gegründeten Jüdischen Kindergartens in Louisville, Kentucky, übernahm. Sie spezialisierte sich auf die Erziehung und Betreuung geistig behinderter Kinder und wurde auf diesem Gebiet eine anerkannte Kapazität.